WG5 – Abschrift eines Briefes an Anna Moll
Wien, Sonntag, 17. Juli 1910
Wien, 17.7.10
Liebe Frau ,
meine kurze Pause hier
habe ich dem Stefansdom [!]
gewidmet, er erschien mir
der einzig würdige Raum
für meine ernsten Ge-
danken. Nun bin ich
etwas ruhiger und kann
wieder atmen. – Sie liebe!
Meine konnte mich
nicht liebevoller von sich
lassen; Sie haben mit
Ihrer großen Güte und
Liebe mir so unendlich
wol getan, daß ich danker-
füllt und bewundernd
Ihrer edlen Menschlichkeit
gedenke. Ich war zu zerrissen
um lieb mit Ihnen sein
zu können, das tut mir
weh und ich hoffe, Ihnen
bald ein wenig Liebe ver-
gelten zu können.
Die ganze Reise über habe
ich geschrieben, viele,
viele Seiten und habe meinen
Trost darin gefunden, sie
zu trösten und zu beruhigen,
und ich fühle, daß ich das
mehr und mehr vermag,
je fester mein Gleichgewicht
wiederhergestellt sein wird.
Ich muß eilen, der Zug geht ab.
Brief sende ich Ihnen
aus Berlin, die Bleistiftzeichen
sind nicht zu lesen. Einen
Brief sandte ich gestern unter
A.M. 40. Toblach, wie verabre-
det, halten Sie ihn telegrafisch
auf wenn es Leichtsinn
war ich mag Ihnen nichts
verheimlichen. Leben Sie
wol Ich muß weiter.
Ihr .
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
2 Bl. (2 b. S.) – Notizblock, Tinte.
Druck
, S. 102, bei Anm. 125 (Auszug).
Korrespondenzstellen
Beantwortet durch AMo1 vom 22. Juli 1910: (Ich habe eben […] Ihre beiden Briefe expediert): Almas Brief [= Brief an AM] sende ich Ihnen aus Berlin.
Datierung
Datierung WG: 17.7.10.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Jannik Franz)
Almas Brief – Gemeint ist ein Brief an und nicht von (Die ganze Reise über habe ich geschrieben), wahrscheinlich WG4 vom 17. Juli 1910. trat als Vermittlerin auf und schickte Briefe an ihre weiter, um nicht Argwohn zu wecken (AMo1 vom 22. Juli 1910).
Brief – Briefentwurf dazu unbekannt, von jedenfalls nicht sogleich in Toblach empfangen bzw. abgeholt.
A.M. 40. – Diese Chiffre hatte für die Postlagersendung von Briefen an sie gewählt.
Wien, 17.7.10 […] Ihr Walter Gropius. – Da diese Blätter sowohl Ort, Datum, Anrede als auch Grußformel aufweisen, jedoch auf Notizblockblättern in Tinte verfasst wurden, handelt es sich in diesem Fall wahrscheinlich um eine Abschrift des ursprünglichen Briefes, der wohl den ersten an darstellt.